Ihre Geschichte und ihre Probleme
Wie kann man solch ein Thema beginnen ohne gleich wie ein Lexikon zu wirken? Dies war die erste Frage, die wir uns gestellt haben, als wir diesen Teil begannen zu bearbeiten.
Banlieue bedeutet übersetzt Bannmeile und ist schon im Mittelalter während der Städtebildung als bannum leucae bekannt. Es ist ein Teil außerhalb der Stadtmauern, welcher jedoch unter die Gerichtlichkeit der Stadt fällt.
Allgemein kann man sagen, dass die Geschichte der Banlieues in den 50er und 60er Jahren beginnt, als man versuchte das schnelle Wachsen der Bevölkerung in den Griff zu bekommen. Nachdem Zerfall Frankreichs Kolonien in Afrika, wie z.B. in Algerien (1962), zogen viele Bewohner aus den Kolonien in das ursprüngliche Mutterland Frankreich. Hinzu kam die Landflucht, denn Frankreich befand sich wie der Rest Westeuropas in einem Wandel. Viele Bauern, die von der Landwirtschaft lebten, zog es in die Stadt, da Frankreich von der starken Industrialisierung der Gesellschaft geprägt war. Es kam zu einem Prozess der Urbanisierung, dem man Stand halten musste.
HLM (Habitation à loyer modéré), so heißen Frankreichs Sozialwohnungen, die heutzutage 4 Millionen Wohneinheiten tragen. Insgesamt wohnen dort 12 Millionen Menschen (Quelle: Wikipedia). Wenn man sich nun die Bevölkerungszahl Frankreichs anschaut, die wesentlich kleiner ist als Deutschlands (ca. 64 Millionen incl. der Überseegebiete), sieht man, dass ein Großteil der französischen Bevölkerung in Sozialwohnungen lebt. Andere Quellen im Internet gehen sogar von 24 Millionen Menschen aus, die in den Sozialwohnungen Frankreichs wohnen.
Ursprünglich geht die Idee der Sozialwohnungen auf die Konsequenzen der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts zurück, als es wenigen Familien möglich war sich eine Wohnung zu leisten, da sie meist in den Fabriken nicht genug Geld verdienten. Das Gesetz Siegfried (1894) gab nun diesen Menschen die Möglichkeit günstigere Wohnungen zu bekommen (Habitation bon marché HBM).
Im Jahr 1952 wurden die ersten 2000 Hochhauswohnungen in Marseille gebaut. Kurz darauf entstanden in ganz Frankreich ähnliche Projekte. Aufgrund der großen Nachfrage an Wohnungen, wollte man so schnell wie möglich reagieren. Man hatte die Vorstellung einer neuen sozialen Gesellschaft, da der Bau der Hochhauswohnungen ein Ausgleich zum privaten Wohnungsbau sein sollte. Die Cités, wie sie auch genannt werden, waren kleine Zentren in denen Familien mit Kindern alles zur Verfügung hatten. Schulen, Spielplätze und Einkaufsmöglichkeiten siedelten sich ebenfalls in diesen Zentren an. Es war ein Schmelztiegel, den man aus den USA schon kannte.
Besonders die Ölkrise und die Verlangsamung der Produktion führten schnell zum Anstieg der Arbeitslosenzahl in Frankreich. Innerhalb von wenigen Jahren stieg die Arbeitslosenquote von 3 auf 8%. Die Vorstädte entwickelten sich langsam zu Zentren von Drogen, Gewalt und Kriminalität.
30 Jahre später hat sich in den Vorstädten Frankreichs nicht viel verändert. Die dort lebenden Menschen gehören heute zur Randgruppe der französischen Gesellschaft. Das Traurige an dieser Situation ist, dass selbst viele Jugendliche aus den Banlieues arbeitslos sind. Selbst ein erfolgreiches Studium bedeutet nicht immer einen Ausweg aus dieser Situation. Sie werden aufgrund ihrer ethnischen Herkunft und ihrem Wohnort den rebellierenden Banlieusard (Vorstädter), über die meist im Fernsehen berichtet wird, zugeordnet. Eine Statistik der ZUS (Zone urbaine sensibles) geht davon aus, dass ca. fünf Millionen Franzosen in den Problemgebieten Frankreichs leben. Zudem lebt jeder Jugendliche aus dem Pariser Raum unter 20 Jahren in solch einem Gebiet. Die Arbeitslosenquote liegt bei Jugendlichen aus den Banlieues bei ca. 36,7 % (unter 25 Jahren). Sie ist somit wesentlicher höher als die Quote aus der Innenstadt.
Gibt es Lösungsansätze für dieses Problem der französischen Gesellschaft, das meiner Meinung nach sehr gravierend ist, denn es ist ne Frage der sozialen Gerechtigkeit. Viele Politiker sprechen heute von einer falschen Integration. Man habe Leute aufgenommen, die nicht einmal schreiben oder lesen konnten. Andere wiederum gehen davon aus, dass die Art und Weise der Integration fehlgeschlagen ist. Ein wesentlicher Faktor, der das Gefühl der Unzufriedenheit seitens der Vorstädter bewirkt hat, ist das Verhalten der großen staatlichen Institutionen wie z.B. der Behören, der Schulen und der Polizei. Viele Jugendliche mit Migrationhintergrund fühlen sich als Franzosen, jedoch wurden sie nie als Franzosen gesehen, da meist ihr Aussehen dem typischen Beispiel eines Franzosen nicht entspricht.
Die meisten von ihnen können die Sprache ihrer Eltern gar nicht mehr sprechen, da sie lediglich mit der französischen Sprache groß geworden sind. Eine Ausnahme ist die französische Nationalmannschaft der letzten Jahre. In dieser Mannschaft spielen meist Franzosen mit Migrationhintergrund wie z.B. Zinedine Zidane, Patrick Viera oder Lilian Thuram.
Sie werden von der Bevölkerung verehrt und geliebt. Somit stellt sich uns die Frage, kann man also nur durch sportliche Erfolge Ansehen in der französischen Gesellschaft als Francais de Nationalité erreichen?
Die Banlieues sind seit den Unruhen von 2005 wieder in aller Munde. Politiker wie Azouz Begag, der ebenfalls in einem Banlieue als Sohn algerischer Einwanderer groß geworden ist, versuchen die Chancengleichheit in Frankreich zu fördern. Er war es, der sich gegen die Äußerungen von Sarkozy gewandt hat, als er von einer „Reinigung in den Banlieues“ sprach. Azouz Begag erwiderte darauf hin, dass man seine Schuhe oder sein Auto reinigen kann, jedoch keine Wohnviertel. Frankreich befindet sich vielleicht nun im Wandel, jedoch weiß man noch nicht ob diese Bemühungen von einigen Politikern Früchte tragen werden.
(http://www.france-mail-forum.de/dos/dos5/dos5kohl.htm)